Dienstag, 14. April 2009

Das Tromp-l`œil, die Zeitbombe und die fremde Realität


Ein Symposium im Bucerius Kunst Forum fungiert hier erneut als Initialzündung. Der Titel: „Täuschend echt. Die Kunst des Trompe-l´œil“. Micheael Diers spricht über die Täuschung in Bezug auf die Werke von Thomas Demand. Berechtigterweise. Die bereits in der Antike durch Zeuxis übermittelte Anekdote des römischen Schriftstellers Gaius Plinius Secundus wird bei Michael Diers als Ausgangslage für den Vortrag herangezogen. In der ursprünglichen Anekdote wird das Grenzziehungsproblem zwischen Realität und Kunst bezüglich der menschlichen Wahrnehmung bereits angesprochen: „Parrhasios (...) soll sich mit Zeuxis in einen Wettstreit eingelassen haben; dieser habe so erfolgreich gemalte Trauben ausgestellt, dass die Vögel zum Schauplatz herbeiflogen; Parrhasios aber habe einen so naturgetreu gemalten leinenen Vorhang aufgestellt, dass der auf das Urteil der Vögel stolze Zeuxis verlangte, man solle doch endlich den Vorhang wegnehmen und das Bild zeigen; als er seinen Irrtum einsah, habe er ihm mit aufrichtiger Beschämung den Preis zuerkannt, weil er selbst zwar die Vögel, Parrhasios aber ihn als Künstler habe täuschen können. (...)“ (Plinius Secundus d. Ä. zitiert IN Helmes/Köster. 2004. S.36). Dies galt bis zu Beginn der Neuzeit als Standardwerk.
Und heute? Diers spricht von den aus Papier nachgestalteten und anschließend fotografierten Werken eines Demand als ob das das Ziel unserer Zeit ist. Der Ansatz ist gut, aber es muss in Bezug auf die zeitgenössische Kunst weitergedacht werden.Wäre es nicht viel täuschend echter, wenn die Natur „hinters Licht zu führen“ wäre? Was wäre, wenn in der von Demand aus Paiper geschaffenen „Grotte“ (2006), die Diers nicht thematisiert, sich Tiere einnisten und ihren eigenen Lebensraum schaffen würden? Wie klein ist doch der Mensch in Bezug auf die übermächtige Natur. Nicht das wir auch ständig darauf aufmerksam gemacht werden. Sei es durch Tsunamis, Klimawandel und andere Naturkatastrophen. Auch die sagenumwobene Wirtschaftskrise ist in gewissem Sinne eine Naturkatastrophe auf ihre ganz eigene Art.
Zeitgenössische Kunst ist mehr als ein am Menschen erprobtes Täuschungsmanöver. Dies zeigte Bice Curiger deutlich mittels der simulierten Readymades bei Fischli/Weiss.
Fischli/Weiss stellen nicht alltägliche Gegenstände ins Museum und deklarieren sie als Kunst, nein, sie nehmen Baustoffe wie Holz, Wachs, Beton, Polyurethan und bilden die readymades innerhalb unserer Realität nach. Fast schon im Sinne Baudrillards Hyperrealität. Genau das ist sie nämlich. Gegenstände die jeglicher Realität fern sind und sie genau dadurch wieder in unsere Gegenwart holen. Das ist unsere Gegenwart. Auch die Gegenwart einer simulierten Finanzkrise, die durch ihr Sein in der Virtualität trotzdem real wird. Im Prinzip sind die Kinder der Postmoderne Schuld an allem. Die Ausgangsbedingungen eines Zeuxis und Gottfried Boehms waren von Glanz umgeben und sind unabdingbar für unsere Gegenwart. Jedoch sind wir weitergegangen und ich frage mich, ob der Zeitpunkt der Naturtäuschung nicht längst erreicht ist. Auch wenn der Protonenbeschleuniger in Genf gerade noch ruht: Wann werden wir wieder auf dem Boden der Realität landen? Suchen wir nicht unnachgiebig nach einem zweiten Urknall, der dann aber keinen Trompe L´œil Effekt mehr hat?

Donnerstag, 9. April 2009

Das süße Leben in Hamburg


Auf einem typischen Hamburg Spaziergang besucht ein Jeder die Landungsbrücken. Egal ob man aus geschichtsträchtigen Beweggründen, aus monumentaler Geilheit oder aus Liebe zur deutschsprachigen Musik den Weg dorthin sucht, man trifft sie alle dort. Hinzu kommt, dass die Landungsbrücken auch zu einem wichtigen Knotenpunkt der U- und S-Bahn zählen. Aus einem ähnlich gearteten Motiv, hat es auch mich an die Elbe getrieben.
Und was sticht mir mit unfehlbarer Gezieltheit ins Auge? Die neue Lavazza Werbekampagne in Form eines überdimensionierten Plakates. Die weibliche Werbefigur räkelt sich im Fontana di Trevi und hält wie selbstverständlich eine Espresso Tasse von Lavazza in ihrer ausgestreckten Hand. Und sogleich kommen Gedanken an Fellini, Anita Ekberg, la dolce vita. Ein Gefühl der italienischen Lebensphilosophie inmitten von Laufkränen, Baugerüsten und direkt bei den Landungsbrücken. Diese Werbestrategie holt das verstaubte Italien zurück ins Hier und Heute. Traditionelle Wahrzeichendarstellungen mittels einer angedeuteten Öl auf Leinwand Technik trifft auf die verrückende, emotionale Rezeption unserer Zeit. Das Zusammenspiel von Plakat und Platzierung, von Bild und Umwelt erst schafft die wirklich involvierende und zugleich irritierende Wahrnehmung. Orgiastische Umstände verlangen extreme Reaktionen: Einen Espresso an den Landungsbrücken.

Donnerstag, 2. April 2009

Unsere subkulturelle Hochkultur

Unser aller Subkultur waren lange Bands, Literaten, Schausteller, die niemand kannte. Irgendwann dann schon. Die Entzückung diese Menschen schon gekannt zu haben, bevor sie berühmt wurden reichte aus. Diese hochgehaltene Subkultur waren die Literaten, die Bücher schrieben und die pure Wahrheit in Worten formulierten. Es ging um die äußerste Kritik an den Lebensumständen und das Leben nach dieser Kritik. Und heute? Ein Rocko Schamoni, der über seine Jugend schrieb und dessen Bücher von jedem Landei als das Buch, das unbedingt geschrieben werden musste hochgeschrien wird, ist nicht mehr als in dem System unserer Zeit angekommen. Ein Heinz Strunk schreibt über seine disaströse Teenie Zeit, in der er von Akne gepeinigt wurde und die Mädels von ihm nichts wissen wollten. Ist das nicht das Kennzeichen jeder Pubertät und auch darüberhinaus, dass man selbst ohne Akne zu haben, sich die Helden unseres Alltags nie in einen verlieben? Und das auch ohne Pickel und ohne eine zwischenzeitliche Mutation. Die Subkultur, die man verehrte, ist längst keine anbetungswürdige, geschweigedenn akzeptable Erscheinung mehr. Sie wurde das, was sie selbst am meisten hasste: Teil des Systems.
Es muss zwangsläufig zu einem Mangel an jeglichem Verständnis für die Umwelt führen. Die eigene Welt, das ist das was zählt. Gar nicht mal so dumm. Aus diesem Grund bedarf es immer neueren Subkulturen, die sich gegen das gleiche ursprüngliche Ziel aufbäumen, es allerdings noch mit voller Überzeugung tun und ohne Dollar Zeichen in den Augen.
Gustav, die einzig ernstzunehmende Band unserer Zeit spricht wahre Worte. Die One-Woman-Band sagt über sich selbst, konsequenterweise hätte sie aufhören müssen Musik zu machen. Alles wurde gesagt, alles kritisiert und in Frage gestellt. Aber sie gesteht sich selbst die Schwäche ein, weiterzumachen, da sie Spaß an ihrer Musik hat und wahrscheinlich ihre Bestimmung für diesen Moment darin sieht. Welch offenes Geständnis! Rocko Schamonis Buch wurde verfilmt, aufgeführt, rezitiert, hundertmal widergekäut. Dasselbe ist mit seinen Studio Braun Kollegen, Heinz Strunk und Jacques Palminger, passiert. Sie spiegeln heute in keinster Weise das wider, was ursprünglich die intendierte und innovative Position war. Sie sind zur subkulturellen Hochkultur emporgestiegen. Glaubwürdige Subkulturen jedoch müsssen sterben und für Tod erklärt werden. Der Autor ist es bereits, wenn wir einem Barthes und Foucault glauben. Was wir brauchen ist keine Hyperstilisierung des Gestrigen, sondern eine Subkultur von morgen und am besten bereits von Übermorgen.