Montag, 4. Januar 2010

Autostadt Wolfsburg - ein hypermodernes Wintermärchen



Wer glaubt, in der Autostadt Wolfsburg dreht sich alles nur um Autos, Technik und ist sowieso nur interessant für Männer, hat sich gewaltig getäuscht. Diese konstruierte Autostadt, mitten im Stadtkern gelegen, muss sich meiner Ansicht nach mit der blitzartigen Assoziation „Charlie und die Schokoladenfabrik“ auseinandersetzen. Das ganze Areal ist schneebedeckt, die verschieden- farbigen Lichter strahlen aus dem Schnee und die einzelnen Gebäude wirken durch ihre vielfältigen Formen spielerisch. Alles wirkt märchenhaft.

Und damit nicht genug, sobald man das Konzern Forum betritt, setzt die totale Vereinnahmung ein. Die erste allgemeine Frage nach Informationen, was man denn hier alles sehen kann, wird mit einem Schwall an Information beantwortet. Dies geschieht mit äußerstem Charme, der einen glauben lässt, niemand jemals zuvor hätte diese Frage gestellt. Man fühlt sich sogleich Besonders und ist überzeugt von der Kompetenz des Fachpersonals. Hier hat man noch Spaß an der Arbeit.

Das Ziel dieses Besuches ist einen Überblick über diese Stadt zu bekommen und die Arbeiten von Olaf Nicolai genauer unter die Lupe zu nehmen. Olaf Nicolai hat sich mit anderen Künstlern zusammen dem Innenraum eines Pavillons angenommen. Der Pavillon, einer von vielen, die jeweils eine Automarke repräsentieren, nennt sich „Premium Clubhouse“ und beherbergt die Marke Bugatti. Doch das Ziel rückt immer mehr in weite Ferne, denn sogleich beim Betreten dieses Gebäudes, wird man von freundlichen Herrn fast schon abgefangen, die einem alles über die Innengestaltung, die Installation, sowie über technische Details erzählen. Nie um eine Antwort verlegen und mit einer derartig gut gelernten Interaktionstaktik, dass man sich schon wieder so richtig willkommen fühlt. Das ist kein Einzelfall auf dem gesamten Gelände.

Diese unglaubliche Freundlichkeit, gepaart mit dem surreal-visuellen Eindruck wird aber noch getoppt von dem ständigen Versuch, die Marke so zu emotionalisieren, dass man am liebsten gleich ein Auto mit nach Hause nimmt: Scheiß auf Klimawandel, ich kann nicht mehr ohne. Man findet sich plötzlich in dieser Disney-artigen Welt, die aber zu real ist um sie nicht ernst zu nehmen. Mehr Realität geht nicht.

Am Ende des Besuchs genehmigt man sich noch einen Whiskey Punsch in der Highland Bar, direkt neben den Schlittschuh laufenden Kindern, zwischen den brennenden kleinen Lagerfeuern. Die eigentliche Kunstbetrachtung kam zu kurz, jedoch fühlt man sich unendlich informiert. Gehen möchte man nicht wirklich, aber irgendwann schließt eben auch die Autostadt ihre Tore, denn eine richtige Stadt ist sie eben doch nicht. Und trotz aller Absurdität steht am Ende der Entschluß: Wolfsburg, wir kommen wieder!

Thomas Demand in der Neuen Nationalgalerie




Die Ausstellung von Thomas Demand in der Neuen Nationalgalerie in Berlin musste sich immer wieder den Pro und Contras der Presse stellen. Aber begeistert schien niemand zu sein. Nicht zuletzt sorgten die von Botho Strauss geschriebenen Beitexte für Allerlei Gesprächsstoff: Geht es jetzt um die Bilder oder um das geschriebene Wort? Wer rückt was in den Hintergrund oder täuscht der vordergründige Schein?

Die größte Ausstellung Demands in Deutschland wirkt eher klein und fein. Die Vorhänge, die einerseits schwer von der Decke hängen, andererseits wie leichte Papierkonstruktionen wirken, schmiegen sich elegant hinter die Fotografien von Thomas Demand. Die Schaukästen, die jedes Bildthema begleiten scheinen ebenso zerbrechlich und unecht, wie die ralitätsgetreuen Nachbauten Demands in ihrer fotografischen Darstellung fehlerhafte Anwandlungen aufweisen.
Die angelegte Täuschung des Betrachterauges wird bildinherent bereits zerstört. So fallen beim Zigarettenautomaten die fehlenden Markenzeichen auf, bei der Bushaltestelle fällt selbst dem kleinen Jungen von nebenan auf, dass der Boden aber unecht aussieht. Dieses Prinzip zieht sich in der Ausstellungsarchitektur durch. Die teilweise platzierten Holzwände sind an der Seite grob abgesägt, wirken in ihrer Querstruktur wie die sich wölbenden Vorhänge in der Vertikalen.
Wenn man sich nun über die Bild- und Ausstellungsgrenzen hinaus begibt, stellt man fest, dass selbst der Mies van der Rohe Bau in seiner zunächst perfekt wirkenden Eleganz, im Grunde nicht ganz so echt wirkt und an allen Ecken und Enden ausbesserungsbedürftig wäre.

So ist das auch mit den Bildern von Thomas Demand und den Beitexten von Botho Strauss. Beide verlangen nach Ergänzung, der eine kann ohne den anderen nicht. Eine großartig durchdachte Ausstellung, die nicht nur neue Blicke auf die Fotografien Demands wirft. Die Konstruktionsleistung innerhalb der Räume der Nationalgalerie und mit der Architektur selbst ist beeindruckend. Am Ende ist es jedoch der Betrachter, der den Texten seine Imagination und den Bildern seine sprachliche Ergänzung zuteil werden lassen muss.